Organisationale Gesundheitskompetenz, Positionspapier 2019

Das DNGK hat am 15. November 2019 ein Positionspapier zur Organisationalen Gesundheitskompetenz vorgelegt.

Die Stellungnahme “Mehr Organisationale Gesundheitskompetenz in die Gesundheitsversorgung bringen” fordert eine neue Sicht auf die  Gesundheitskompetenz in unserer Gesellschaft und damit eine neue Definition:

Gesundheitskompetenz ist der Grad, zu dem Individuen durch das Bildungs-, Sozial und / oder Gesundheitssystem in die Lage versetzt werden, die für angemessene gesundheitsbezogene Entscheidungen relevanten Gesundheitsinformationen zu finden, zu verarbeiten und zu verstehen.

Dies macht deutlich, dass

    • sowohl individuelle Fähigkeiten und Eigenschaften als auch gesellschaftliche Strukturen und organisationale Bedingungen am Entstehen von Gesundheitskompetenz beteiligt sind und
    • das Ziel von Aktivitäten zur Förderung von Gesundheitskompetenz darin besteht, allen Menschen individuell angemessene gesundheitsbezogene Entscheidungen und Handlungen zu ermöglichen.

Gesundheitskompetenz zu erreichen, liegt nach Vorstellung des DNGK nicht allein in der Verantwortung des oder der Einzelnen, sondern muss auch als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden.

Gerade Einrichtungen, die Gesundheitsversorgung gestalten, kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Ihre Aufgabe ist es, allen Klient*innen entsprechend ihrer Bedürfnisse gute Gesundheitsentscheidungen zu ermöglichen, sie zu unterstützen und entsprechende Rahmbedingungen zu schaffen.

Das Positionspapier mündet in Acht Thesen zur organisationalen Gesundheitskompetenz:

  1. Gesundheitskompetenz ist eine individuelle Kompetenz, es braucht aber zwingend fördernde Strukturen in Politik und Gesellschaft, insbesondere in Einrichtungen des Gesundheitswesens, damit Individuen diese Kompetenz entwickeln und durchsetzen können.
  2. Wenn individuelle kognitive oder sprachliche Fähigkeiten bei Menschen eingeschränkt sind, obliegt es in besonderem Maße den betreuenden Gesundheitsorganisationen und deren Mitarbeiter*innen, den Betroffenen individuell angemessene Entscheidungen zu ermöglichen.
  3. Gesundheitskompetenz ist keine statische Größe, über die ein Mensch immer im selben Maße verfügt. Vielmehr verändert sie sich abhängig von individuell erlebten Situationen, Maßnahmen und Erkrankungen oder Krankheitsstadien. Darauf müssen gesundheitskompetente Organisationen reagieren.
  4. Die Förderung von Gesundheitskompetenz kann dazu führen, dass Individuen sich bewusst gegen Interventionen entscheiden, die von Expert*innen als wirksam und empfehlenswert angesehen werden. Gesundheitskompetente Organisationen unterstützen die Autonomie der Patient*innen und erkennen an, dass diese Expert*innen für ihr eigenes Wohl sind.
  5. Organisationale Gesundheitskompetenz ist zuerst eine Frage der Haltung der in ihnen Arbeitenden und dann eine Frage angemessener, definierter Prozesse.
  6. Einrichtungen der Gesundheitsversorgung brauchen Rahmenbedingungen, die ihre Anstrengungen für ein bürger- oder patientenzentriertes, die Gesundheitskompetenz förderndes Handeln unterstützen und dies nicht durch falsche Anreize („Ökonomisierung“) konterkarieren.
  7. Die ideelle und finanzielle Förderung organisationaler Gesundheitskompetenz ist eine gemeinschaftliche Verpflichtung und Aufgabe aller Akteure der Gesundheitsversorgung. Sie bedarf geeigneter, breit akzeptierter Instrumente, auf die alle Akteure sich verständigen können.
  8. Das Konzept der „Organisationalen Gesundheitskompetenz“ bedeutet einen Perspektivwechsel: Nicht der einzelne braucht Fähigkeiten, um ein komplexes Gesundheitssystem zu durchdringen, sondern das System muss Strategien bereitstellen, um der Komplexität der Menschen gerecht zu werden.

Das Positionspapier ist Resultat einer Mitgliederkonsultation.

Erste Eckpunkte wurden auf dem 1. Kölner Workshop des DNGK im September vorgestellt und diskutiert. Die auf dieser Grundlage erarbeitete erste Vorstandsfassung wurde den Mitgliedern des Netzwerks zur Kommentierung zugeleitet. Auf diese Weise konnten die Autorinnen, Corinna Schaefer, Eva Maria Bitzer und Marie-Luise Dierks mehr als 90 rückgemeldete Kommentare und Anregungen für die Erarbeitung der endgültigen Fassung berücksichtigen.

An der Kommentierung des Positionspapiers waren u.a. folgende Mitglieder des Netzwerks beteiligt, die ihre Zusage zur persönlichen Nennung erteilt haben: Torsten Bollweg, Ansgar Jonietz, Saskia Jünger, David Klemperer, Günter Ollenschläger, Doris SchaefferStephanie Stock, Simone Widhalm.

Der Vorstand des DNGK verabschiedete das Dokument am 15. November einstimmig als Positionspapier des Netzwerks.

Das Positionspapier

Die Dokumentation des Konsultationsverfahrens finden Sie hier.


Letzte Überarbeitung: 18.07.2021