Digitale Gesundheitskompetenz

Digitale Gesundheitskompetenz – ein Thema für die gesetzlichen Krankenkassen? (Stand 2022)

Zusammenfassung

Die E-Bibliothek des DNGK verweist an dieser Stelle auf Informationen der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zum Thema “Digitale Gesundheitskompetenz (DigGK)”und gibt einen Überblick über die Vorgaben des SGB V und des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen zur Förderung der Digitalen Gesundheitskompetenz. Außerdem werden die Ergebnisse einer Recherche aus dem Jahr 2022 zu Informationsangeboten über Digitale Gesundheitskompetenz in den Internetportalen der gesetzlichen Krankenkassen beschrieben. Mit wenigen Ausnahmen informieren alle  Krankenkassen zu Digitalen Anwendungen (DIGA) und weiteren digitalen Versorgungsleistungen. Enttäuschend gering ist das Interesse der Organisationen, ihre Versicherten mit wissenschaftlich begründeten Gesundheitsinformationen zu versorgen.

Förderung der Digitalen Gesundheitskompetenz. Eine Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen!

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland sind seit 2020 durch Vorgaben im Sozialgesetzbuch V dazu verpflichtet, den Versicherten Leistungen zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz anzubieten. Die Leistungen sollen dazu dienen, die für die selbstbestimmte gesundheitsorientierte Nutzung digitaler oder telemedizinischer Anwendungen und Verfahren erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt das Nähere zu bedarfsgerechten Zielstellungen, Zielgruppen sowie zu Inhalt, Methodik und Qualität der Leistungen. (Quelle: § 20k SGB V).

Digitale Gesundheitskompetenz. Was heißt das?

Der Begriff «digitale Gesundheitskompetenz» ist die Übersetzung von «Digital Health Literacy / eHealth Literacy». Weitere verwendete deutschsprachige Bezeichnungen sind: eGesundheitskompetenz, Gesundheitskompetenz im Umgang mit digitalen/elektronischen Medien, eHealth-Kompetenz (Bachmann et al 2019). International findet man zusätzliche Begriffsvorschläge, wie etwa Media Health Literacy, Internet Health Literacy und Mobile Health Literacy (Bittlingmayer et al 2020).

In ihrer grundlegenden Arbeit zum Konzept «eHealth Literacy» beschreiben C.D. Norman und H.A. Skinner  digitale Gesundheitskompetenz als die Fähigkeit zum Suchen, Finden, Verstehen und Bewerten von Gesundheitsinformationen auf der Grundlage digitaler Quellen und die Fähigkeit das gewonnene Wissen so anzuwenden, um gesundheitliche Herausforderung zu adressieren und Probleme zu lösen. Diese Definition
überträgt das Konzept der Gesundheitskompetenz auf das digitale Zeitalter und greift elektronische Quellen als Format der Informationsbeschaffung auf. (Sachverständigenrat Gesundheit, Gutachten 2021, S. 265)

Abb. 1: Individuelle Digitale Gesundheitskompetenz (E-Health Literacy) und zugrunde liegende Fähigkeiten. Lilienmodell von Norman und Skinner, 2006; https://www.jmir.org/2006/2/e9/, © Cameron D Norman, Harvey A Skinner; publiziert unter der CC-BY 2.0 Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Das sogenannte “Lilienmodell” der Autoren benennt sechs Fähigkeiten benannt, welche eine Person benötigt, um elektronische Medien für die eigene Gesundheit nutzen zu können (Norman und Skinner 2006):

  • Traditional Literacy & Numeracy = Lese und Schreibfähigkeiten (schriftliche Informationen nutzen)
  • Computer Literacy = Computerkenntnisse (elektronische Medien sicher anwenden)
  • Media Literacy = Medienkompetenz (kritisch hinterfragen, im sozialen / politischen Kontext verstehen)
  • Science Literacy = Wissenschaftskompetenz (wissenschaftliche Informationsquellen kritisch hinterfragen, im wissenschaftlichen Kontext verstehen)
  • Information Literacy = Informationskompetenz (Informationen aufnehmen, verarbeiten und anwenden)
  • Health Literacy = Gesundheitskompetenz (Informationen finden, auswählen und anwenden, um Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken können)

Die ausschließlich individuenbezogene Definition wurde im Laufe der Zeit durch Betonung der gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen erweitert, wie die Definition von Bautista (2015) – in der Übersetzung von Bittlingmayer et al (2020) – zeigt:

Elektronische Gesundheitskompetenz (E-Health Literacy) umfasst das Zusammenspiel personaler und sozialer Faktoren bei der Nutzung digitaler Technologien im Suchen, Aneignen, Erfassen, Verstehen, Bewerten, Kommunizieren und Anwenden von Gesundheitsinformationen in allen Kontexten der Gesundheitsversorgung mit dem Ziel, die Lebensqualität über die gesamte Lebensdauer hinweg zu erhalten oder zu verbessern.

Im deutschsprachigen Bereich gibt es bisher keine allgemein akzeptierte Definition. Vielmehr werden unterschiedliche Schwerpunkte und Zielsetzungen hervorgehoben, wie die nachstehenden Beispiele verdeutlichen.

Definition nach Samerski und Müller 2019:

Digitale Gesundheitskompetenz ist die Fähigkeit, digitale Technologien selbstbestimmt zu nutzen zum Zweck der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Gesundheit. Sie versetzt Patient*innen bzw. Nutzer*innen in die Lage, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen und zu bewerten, gesundheitsrelevante persönliche Daten bei Bedarf zu schützen oder freizugeben, Funktionsweisen, Ergebnisse und Folgen von digitalen Gesundheitsanwendungen einzuschätzen, Vor- und Nachteile abzuwägen und entsprechend zu handeln.

Digitale Gesundheitskompetenz befähigt Organisationen dazu, eine transparente Digital Policy öffentlich zu machen, eine hohe Informationsqualität und Datensicherheit zu garantieren und die Digitale Gesundheitskompetenz von Patient*innen bzw. Versicherten gezielt zu berücksichtigen und zu fördern (im Sinne einer Corporate Digital Responsibility).

Digitale Gesundheitskompetenz entsteht durch die Interaktion von individuellen Fähigkeiten und sozio-technologischen Rahmenbedingungen. Sie schließt sowohl bei Personen als auch bei Organisationen das Bewusstsein über die ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen ein und befähigt sie dazu, den digitalen Wandel gesundheitsförderlich zu gestalten.

Definition nach Kolpatzik, Mohrmann und Zeeb 2020:

Die allgemeine digitale Gesundheitskompetenz umfasst individuelle, soziale und technische Kompetenzen und Ressourcen, die für das Suchen, Finden, Verstehen, Bewerten und Anwenden digital verfügbarer Gesundheitsinformationen wichtig sind. Sie soll die Bürgerinnen und Bürger befähigen, durch die Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen ihre Selbstwirksamkeit zu erhöhen und ein selbstbestimmtes Leben bei hoher Lebensqualität zu führen.

Die spezifische digitale Gesundheitskompetenz umfasst Dimensionen wie Computer Literacy (computerbezogene Kompetenz), Data Literacy (Datenkompetenz), Privacy Literacy (Datenschutzkompetenz), Traditional Literacy (Lese und Schreibkompetenz), Media Literacy (medienbezogene Kompetenz), Navigation Literacy (Such und Findekompetenz), Information Literacy (Informationskompetenz) sowie Health Literacy (Gesundheitskompetenz).

Diese Dimensionen sind jeweils auf den dynamischen Kontext von Gesundheit, Gesundheitssystem und Gesellschaft insgesamt anzuwenden. Die jeweiligen spezifischen Kompetenzen ermöglichen es den Bürgern, ihre Privatsphäre zu schützen, die Datensicherheit zu erhöhen und anhand von verlässlichen Informationen ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu erhalten und zu steigern.

Definition des GKV-Spitzenverbandes 2020:

Unter Digitaler Gesundheitskompetenz ist die spezifische Form der Gesundheitskompetenz zu verstehen, die die Fähigkeit, gesundheitsrelevante Informationen in Bezug auf digitale Anwendungen und digitale Informationsangebote zu finden, zu verstehen, zu beurteilen/einzuschätzen und anzuwenden, umfasst. Das Konzept der digitalen Gesundheitskompetenz berücksichtigt dabei die Besonderheiten und die kontinuierliche Weiterentwicklung digitaler Technologien.

Definition des Sachverständigenrates Gesundheit 2021:

Unter Digitaler Gesundheitskompetenz ist die Fähigkeit zu verstehen, das Wissen und die Motivation, digitale Technologien selbstbestimmt in den Bereichen der Gesundheitsförderung, Prävention und Krankheitsbewältigung zu nutzen. Hierzu gehört auch, mögliche gesundheitliche Gefahren durch die Nutzung digitaler Angebote erkennen und abwägen zu können. Die digitale Gesundheitskompetenz befähigt Bürgerinnen und Bürger einschließlich Angehörige von Heilberufen, digitale Gesundheitsinformationen und -anwendungen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden, um informierte Entscheidungen zu treffen.

Mit dieser Definition wird das Ziel, die Selbstbestimmung zu stärken, aufgegriffen. Weiterhin werden nicht nur Gesundheitsinformationen, sondern auch digitale Gesundheitsanwendungen als essenzieller Bestandteil der digitalen Versorgung eingeschlossen. Das wesentliche Ziel digitaler Gesundheitskompetenz stellt die informierte Entscheidung dar, die dazu beitragen soll, Über, Unter und Fehlversorgung zu reduzieren. (Sachverständigenrat Gesundheit, Gutachten 2021, S. 266/267)

Inhalte der Krankenkassenleistungen zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz

Gemäß § 20k Absatz 2 SGB V hat der GKV-Spitzenverband 2020 erstmalig Regelungen zu Leistungen zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz getroffen. Auf dieser Basis können die Krankenkassen in ihren Satzungen Leistungen zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz für die Versicherten und Patienten vorsehen. (Quelle: Spitzenverband Bund 2020).

Die Leistungen sollen darauf zielen, Versicherte befähigt werden, digitale Gesundheitsangebote zu erschließen und selbstbestimmt zu nutzen. Insbesondere sollen die Leistungen das Suchen und Finden Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) unterstützen. Die Inhalte der
Leistungen können sich beziehen auf:

Recherche zum Informationsangebot “Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz” der gesetzlichen Krankenkassen

Vor dem Hintergrund der genannten Vorgaben stellte sich die Frage, in welchem Umfang die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland entsprechende Informationen zur “Digitalen Gesundheitskompetenz” auf ihren Internetportalen bereitstellen. Zur Beantwortung dieser Frage führte die Redaktion der E-Bibliothek des DNGK Ende November / Anfang Dezember 2022 eine Recherche auf den Internetportalen der in der Krankenkassenliste GKV-Spitzenverband genannten Krankenkassen durch.

Gesucht wurde vorrangig nach Informationen zu den Stichworten

  • “DIGA”: Bietet das Krankenkassenportal Informationen zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA oder “Gesundheits-Apps auf Rezept), was sie sind und wie man sie nutzen kann?
  • “Digitale Leistungen”: Informiert das Krankenkassenportal zu den digitalen Leistungen des Unternehmens?

Zusatzlich war von Interesse, ob die Portale Informationen zur Gesundheitsthemen generell sowie zu gesundheitskompetenten Organisationen im Gesundheitswesen anbieten, wie in den Regelungen des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz genannt.

Zu diesem Zweck wurde zu den folgenden Stichworten gesucht:

  • Stichwort “Wissen”:  Bietet das Krankenkassenportal Informationen zu Gesundheit und Krankheit. Wenn ja, sind sie (a) umfassend und nicht ausschließlich auf das Leistungsangebot der Krankenkasse bezogen. (b) Existieren Informationen zu wissenschaftlichen Belegen und weiteren Quellen der Aussagen. (c) Existieren Informationen zu redaktionellen Grundsätzen der Informationserstellung und den beteiligten AutorInnen / Organisationen?
  • Stichwort “IGeL”: Informiert das Krankenkassenportal über die sogenannten Individuellen Gesundheits-Leistungen (IGeL)? Diese Information gibt einen Hinweise darüber, ob die Krankenkasse umfassend über nicht wissenschaftlich belegte medizinische Versorgungsangebote aufklärt.
  • Stichwort “UPD”: Informiert das Krankenkassenportal über das Informationsangebot der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Diese Information weist darauf hin, welchen Stellenwert die Krankenkasse einer unabhängigen und qualitätsgesicherten Patienten- und Verbraucherberatung in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen einräumt. (siehe § 65b SGBV).
Ergebnisse

Von den 73 Krankenkassen waren 72 Portale zugänglich.

  • Informationen zu DIGA, zu den eigenen digitalen Gesundheitsleistungen und zu Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) boten alle Allgemeinen Ortskrankenkassen (Ausnahme: 10 von 11 zu IGeL), Ersatzkassen, Innungskrankenkassen (Ausnahme: 5 von 6 zu IGeL) sowie Knappschaft und Landwirtschaftliche Krankenkasse an. Wir fanden keine Informationen zu DIGA (Digitalen Gesundheitsleistungen) bei fünf (zwei) der 47 auswertbaren Betriebskrankenkassen.
  • Verweise auf die Informationsangebote  der UPD – patientenberatung.de –  (u.a. zur Datensicherheit bei Digitalen Angeboten) existierten bei 10 von 11 Ortskrankenkassen, 3 von 6 Ersatzkassen, 2 von 6 Innungskrankenkassen und 20 von 47 Betriebskrankenkassen.
  • Angebote zu  bzw. Verweise auf Portale mit Gesundheitswissen (Patienten- bzw. Gesundheitsinformationen) fanden wir bei 10 Portalen der Ortskrankenkassen, 4 Angeboten der Ersatzkassen, 2 Innungskrankenkassen und 10 Betriebskrankenkassen. Allerdings existierten nur bei 11 dieser Angebote Informationen zur Qualität der Gesundheitsinformationen.
Bewertung

Mit nur wenigen Ausnahmen informieren die gesetzlichen Krankenkassen zu DIGA, eigenen Digitalen Gesundheitsangeboten und Individuellen Gesundheitsleistungen. Die Mehrzahl der Krankenkassen verweist nicht auf die Informationsangebote der öffentlich finanzierten Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Enttäuschend ist das Informationsangebot zu generellen Gesundheitsthemen entsprechend den Regelungen des GKV-Spitzenverbandes, das nur 26 Krankenkassen vorgehalten wird.

Tabellen zu den Rechercheergebnissen

Die Ergebnisse für die einzelnen Krankenkassen sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Über die Links in der zugehörigen pdf-Datei gelangt man zu den Belegen.

Tabelle: Gesetzliche Krankenkassen: Online-Infos Gesundheitswissen, DIGA, Digitale Leistungen, IGeL, UPD (3.12.2022)

Internetportale der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland – Informationen zur Gesundheitskompetenz

Hier finden Sie Zugang zu den in der E-Bibliothek des DNGK eingestellten Webinformationen deutscher Krankenkassen zur Gesundheitskompetenz. 

Stand: 14.12.2022

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Autor: Günter Ollenschläger